A great honor to be invited by Erich Hörl to talk in Bochum, and thank labkultur.tv for the recording, Sebastian Drumfish Fischer for the images, the original report can be found here
Die Kollektivität von sozialen Netzwerken
Einer für Alle und Alle für Einen? Oder nur eine One-Man Show?
“Towards a Philosophy of Post-Facebook Social Networks – With Special Attention to Jacob Moreno and Gilbert Simondon” lautete der Titel der Ringvorlesung #Wishyouwerehere vom 11.12.2012 in der Bochumer Rotunde des C60/Collaboratoriums. Gast war dieses Mal Yuk Hui, Postdoctoral Researcher am CDC, dem Centre for Digital Cultures an der Leuphana Universität Lüneburg. Auch dieses Mal ging es um Facebook und Co., um Verbesserungen, Kritiken und neue Denkansätze…
Was ist sozial an Facebook?
Denkt man für längere Zeit mal genauer darüber nach, dann fällt einem eigentlich nichts dazu ein. Man ist beschäftigt mit der Zur-Schau-Stellung seines eigenen Selbst. Fröhlich werden Bilder des neuen Einkaufs präsentiert, der neuen Kletterschuhe, des neuen Autos, der knackigen Snacks für den DVD-Abend, des reizenden neuen Kätzchens, des Urlaubs… und der Arbeit. Die Liste lässt sich ähnlich wie die zunehmende Anzahl an Sehnenscheidenentzündungen ins Unermessliche fortführen. Der fleißige Facebook-Nutzer ist mit sich selbst als Individuum beschäftigt, von sozialer Partizipation im Netzwerk kaum eine Spur. Was an für sich ja nichts Schlimmes ist, sofern man damit zufrieden ist. Doch was könnten Facebook und Co. sonst noch leisten – bei mehr als einer Milliarde von teilnehmenden Individuen? Ist das wirklich alles? Oder gibt es noch eine andere Form von Kollektivität?
(A)soziale Medien?
Das so ziemlich einzige von Facebook kreierte Kollektiv spiegelt sich in gelegentlichen Partys wieder. Partys bei denen kleine pubertierende Teenager vergessen haben ein Häkchen zu setzen, was dann häufig mit der Verwüstung eines ganzen Landstriches einhergeht. Die Frage die sich dabei stellt ist, ob sich diese Form von Schwarmverhalten im Netzwerk auch anders anwenden lässt – um Probleme zu lösen, Meinungsfreiheit zu gewährleisten oder um Menschen auf eine Art und Weise zu verbinden die vor der Entwicklung des Internets nicht möglich gewesen wäre.
Soziometrie und Netzwerk
Jacob Levy Moreno, Soziologe, machte im Amerika der 30er Jahre einen Versuch mit einer Gruppe von Mädchen aus einem Erziehungsheim. Diese wurden unabhängig voneinander unter vier Augen dazu befragt, wie sie zu den anderen Mitgliedern der Gruppe stehen. Daraus lies sich im Anschluss ein Diagramm anfertigen, das sogenannte Soziogramm, welches Aufschluss über die Beziehungen der Individuen gab.
Thank you for Smoking
Dieser relativ frühe Gedanke eines sozialen Netzwerkes lässt sich theoretisch bis in die heutige Zeit weiterentwickeln – zu unseren geliebten sozialen Medien. Was ihnen in Bezug zu Jacob Moreno jedoch fehlt ist die eigentliche Verbindung zwischen den Individuen. Facebook ist ein Konzern der die Wünsche, Begehren und Daten seiner Teilnehmer nutzt um ihre sozialen Beziehungen zu industrialisieren.
Gift und Gegengift
Ein Pharmakon ist ein Arzneimittel welches Agonist und Antagonist gleichzeitig enthält. Gift und Gegengift – die sich zum Teil gegenseitig aufheben um die Wirkung anzupassen – und eine Metapher: In Bezug auf soziale Medien kann man hier den roten Faden zu sozialen und technologischen Errungenschaften zurückverfolgen.
Heilung?
Interessant wäre eine Umkehr der derzeitigen Situation: Weg von der Deindividuation durch Facebook als Marketingtool hin zur Organisierung in Gruppen als Teilhabe am sozialen Leben – außerhalb von Kommerz und Konsum. Denkansätze wie die hier schon häufiger erwähnten Anonymous oder die Data-Mapping Plattform Ushahidi zeigen, wie ein Kollektiv oder eine Gruppe handeln könnte und was sie bewegen könnten. Negative Schlagzeilen mal außen vor, es geht um die Handlung als Kollektiv gegen Ungerechtigkeit, Gewalt oder was auch immer. Ushahidi, im Englischen Testimony, bedeutet so viel wie Zeugnis oder Zeugenaussage und leistete als Internetplattform einen immensen Beitrag um den Menschen in Haiti nach dem Erdbeben von 2010 zu helfen indem sie Telekommunikation mit geographischen Komponenten vereinigte. Entwickelt wurde die Seite um gewaltsame Übergriffe in Kenia bei den Unruhen nach der Wahl von 2008 auf einer Karte markieren und um anschließend den Menschen helfen zu können. Dieses Beispiel zeigt wozu Kollektivität im Netzwerk im Stande sein kann und was möglich ist wenn alle ein Ziel verfolgen. Denken jedoch muss nun jeder für sich selbst….